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die Zeitlichkeit des Daseins und die aus ihr entspringenden Aufgaben einer ursprünglichen Wiederholung der existenzialen Analyse (§ 66).


§ 62. Das existenziell eigentliche Ganzseinkönnen des Daseins als vorlaufende Entschlossenheit


Inwiefern führt die Entschlossenheit, ihrer eigensten Seinstendenz entsprechend »zu Ende gedacht«, auf das eigentliche Sein zum Tode? Wie ist der Zusammenhang zwischen dem Gewissenhabenwollen und dem existenzial entworfenen eigentlichen Ganzseinkönnen des Daseins zu begreifen? Ergibt das Zusammenschweißen beider ein neues Phänomen? Oder bleibt es bei der in ihrer existenziellen Möglichkeit bezeugten Entschlossenheit, so zwar, daß sie durch das Sein zum Tode eine existenzielle Modalisierung erfahren kann? Was besagt aber, das Phänomen der Entschlossenheit existenzial »zu Ende denken«?

Die Entschlossenheit wurde charakterisiert als das sich-Angstzumutende, verschwiegene Sichentwerfen auf das eigenste Schuldigsein. Dieses gehört zum Sein des Daseins und bedeutet: nichtiger Grund-sein einer Nichtigkeit. Das zum Sein des Daseins gehörende »schuldig« läßt weder Vermehrung noch Verminderung zu. Es liegt vor jeder Quantifizierung, wenn diese überhaupt einen Sinn hat. Wesenhaft schuldig ist das Dasein auch nicht zuweilen und dann wieder nicht schuldig. Das Gewissen-haben-wollen entschließt sich für dieses Schuldigsein. Im eigenen Sinne der Entschlossenheit liegt es, sich auf dieses Schuldigsein zu entwerfen, als welches das Dasein ist, solange es ist. Die existenzielle Übernahme dieser »Schuld« in der Entschlossenheit wird demnach nur dann eigentlich vollzogen, wenn sich die Entschlossenheit in ihrem Erschließen des Daseins so durchsichtig geworden ist, daß sie das Schuldigsein als ständiges versteht. Dieses Verstehen aber ermöglicht sich nur dergestalt, daß sich das Dasein das Seinkönnen »bis zu seinem Ende« erschließt. Das Zu-Ende-sein des Daseins besagt jedoch existenzial: Sein zum Ende. Die Entschlossenheit wird eigentlich das, was sie sein kann, als verstehendes Sein zum Ende, d. h. als Vorlaufen in den Tod. Die Entschlossenheit »hat« nicht lediglich einen Zusammenhang mit dem Vorlaufen als einem anderen ihrer selbst. Sie birgt das eigentliche Sein zum Tode in sich als die mögliche existenzielle Modalität ihrer eigenen Eigentlichkeit. Diesen »Zusammenhang« gilt es phänomenal zu verdeutlichen.

Entschlossenheit besagt: Sichvorrufenlassen auf das eigenste Schuldigsein. Das Schuldigsein gehört zum Sein des Daseins selbst, das wir primär als Seinkönnen bestimmten. Das Dasein »ist« ständig schul-


Martin Heidegger - Sein und Zeit