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das heißt sich in einem eigentlichen Sein zu seinem Ende halten? Solange dieses eigentliche Sein zum Tode nicht herausgestellt und ontologisch bestimmt ist, haftet an der existenzialen Interpretation des Seins zum Ende ein wesentlicher Mangel.

Das eigentliche Sein zum Tode bedeutet eine existenzielle Möglichkeit des Daseins. Dieses ontische Seinkönnen muß seinerseits ontologisch möglich sein. Welches sind die existenzialen Bedingungen dieser Möglichkeit? Wie soll sie selbst zugänglich werden?



§ 53. Existenzialer Entwurf eines eigentlichen Seins zum Tode


Faktisch hält sich das Dasein zunächst und zumeist in einem uneigentlichen Sein zum Tode. Wie soll die ontologische Möglichkeit eines eigentlichen Seins zum Tode »objektiv« charakterisiert werden, wenn das Dasein am Ende sich nie eigentlich zu seinem Ende verhält oder aber dieses eigentliche Sein seinem Sinne nach den Anderen verborgen bleiben muß? Ist der Entwurf der existenzialen Möglichkeit eines so fragwürdigen existenziellen Seinkönnens nicht ein phantastisches Unterfangen? Wessen bedarf es, damit ein solcher Entwurf über eine nur dichtende, willkürliche Konstruktion hinauskommt? Gewährt das Dasein selbst Anweisungen für diesen Entwurf? Lassen sich aus dem Dasein selbst Gründe seiner phänomenalen Rechtmäßigkeit entnehmen? Kann die jetzt gestellte ontologische Aufgabe aus der bisherigen Analyse des Daseins sich Vorzeichnungen geben lassen, die ihr Vorhaben in eine sichere Bahn zwingen?

Der existenziale Begriff des Todes wurde fixiert und somit das, wozu ein eigentliches Sein zum Ende sich soll verhalten können. Ferner wurde das uneigentliche Sein zum Tode charakterisiert und damit prohibitiv vorgezeichnet, wie das eigentliche Sein zum Tode nicht sein kann. Mit diesen positiven und prohibitiven Anweisungen muß sich der existenziale Bau eines eigentlichen Seins zum Tode entwerfen lassen.

Das Dasein wird konstituiert durch die Erschlossenheit, das ist durch ein befindliches Verstehen. Eigentliches Sein zum Tode kann vor der eigensten, unbezüglichen Möglichkeit nicht ausweichen und in dieser Flucht sie verdecken und für die Verständigkeit des Man umdeuten. Der existenziale Entwurf eines eigentlichen Seins zum Tode muß daher die Momente eines solchen Seins herausstellen, die es als Verstehen des Todes im Sinne des nichtflüchtigen und nichtverdeckenden Seins zu der gekennzeichneten Möglichkeit konstituieren.


Martin Heidegger - Sein und Zeit