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solche ist er ein ausgezeichneter Bevorstand. Dessen existenziale Möglichkeit gründet darin, daß das Dasein ihm selbst wesenhaft erschlossen ist und zwar in der Weise des Sich-vorweg. Dieses Strukturmoment der Sorge hat im Sein zum Tode seine ursprünglichste Konkretion. Das Sein zum Ende wird phänomenal deutlicher als Sein zu der charakterisierten ausgezeichneten Möglichkeit des Daseins.

Die eigenste, unbezügliche und unüberholbare Möglichkeit beschafft sich aber das Dasein nicht nachträglich und gelegentlich im Verlaufe seines Seins. Sondern, wenn Dasein existiert, ist es auch schon in diese Möglichkeit geworfen. Daß es seinem Tod überantwortet ist und dieser somit zum In-der-Welt-sein gehört, davon hat das Dasein zunächst und zumeist kein ausdrückliches oder gar theoretisches Wissen, Die Geworfenheit in den Tod enthüllt sich ihm ursprünglicher und eindringlicher in der Befindlichkeit der Angst1. Die Angst vor dem Tode ist Angst »vor« dem eigensten, unbezüglichen und unüberholbaren Seinkönnen. Das Wovor dieser Angst ist das In-der-Welt-sein selbst. Das Worum dieser Angst ist das Sein-können des Daseins schlechthin. Mit einer Furcht vor dem Ableben darf die Angst vor dem Tode nicht zusammengeworfen werden. Sie ist keine beliebige und zufällige »schwache« Stimmung des Einzelnen, sondern, als Grundbefindlichkeit des Daseins, die Erschlossenheit davon, daß das Dasein als geworfenes Sein zu seinem Ende existiert. Damit verdeutlicht sich der existenziale Begriff des Sterbens als geworfenes Sein zum eigensten, unbezüglichen und unüberholbaren Seinkönnen. Die Abgrenzung gegen ein pures Verschwinden, aber auch gegen ein Nur-Verenden und schließlich gegen ein »Erleben« des Ablebens gewinnt an Schärfe.

Das Sein zum Ende entsteht nicht erst durch und als zuweilen auftauchende Einstellung, sondern gehört wesenhaft zur Geworfenheit des Daseins, die sich in der Befindlichkeit (der Stimmung) so oder so enthüllt. Das je im Dasein herrschende faktische »Wissen« oder »Nichtwissen« um das eigenste Sein zum Ende ist nur der Ausdruck der existenziellen Möglichkeit, in verschiedener Weise sich in diesem Sein zu halten. Daß faktisch Viele zunächst und zumeist um den Tod nicht wissen, darf nicht als Beweisgrund dafür ausgegeben werden, daß das Sein zum Tode nicht »allgemein« zum Dasein gehöre, sondern nur dafür, daß sich das Dasein zunächst und zumeist das eigenste Sein zum Tode, flüchtig vor ihm, verdeckt. Das Dasein stirbt faktisch, solange es existiert, aber zunächst und zumeist in der Weise des Verfal-


1 Vgl. § 40, S. 184 ff.


Martin Heidegger - Sein und Zeit