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sein kann und die in der Furcht entdeckt wird, kommt immer von innerweltlichem Seienden her.

Die Abkehr des Verfallens ist deshalb auch kein Fliehen, das durch eine Furcht vor innerweltlichem Seienden fundiert wird. Ein so gegründeter Fluchtcharakter kommt der Abkehr um so weniger zu, als sie sich gerade hinkehrt zum innerweltlichen Seienden als Aufgehen in ihm. Die Abkehr des Verfallens gründet vielmehr in der Angst, die ihrerseits Furcht erst möglich macht.

Für das Verständnis der Rede von der verfallenden Flucht des Daseins vor ihm selbst muß das In-der-Welt-sein als Grundverfassung dieses Seienden in Erinnerung gebracht werden. Das Wovor der Angst ist das In-der-Welt-sein als solches. Wie unterscheidet sich phänomenal das, wovor die Angst sich ängstet, von dem, wovor die Furcht sich fürchtet? Das Wovor der Angst ist kein innerweltliches Seiendes. Daher kann es damit wesenhaft keine Bewandtnis haben. Die Bedrohung hat nicht den Charakter einer bestimmten Abträglichkeit, die das Bedrohte in der bestimmten Hinsicht auf ein besonderes faktisches Seinkönnen trifft. Das Wovor der Angst ist völlig unbestimmt. Diese Unbestimmtheit läßt nicht nur faktisch unentschieden, welches innerweltliche Seiende droht, sondern besagt, daß überhaupt das innerweltliche Seiende nicht »relevant« ist. Nichts von dem, was innerhalb der Welt zuhanden und vorhanden ist, fungiert als das, wovor die Angst sich ängstet. Die innerweltlich entdeckte Bewandtnisganzheit des Zuhandenen und Vorhandenen ist als solche überhaupt ohne Belang. Sie sinkt in sich zusammen. Die Welt hat den Charakter völliger Unbedeutsamkeit. In der Angst begegnet nicht dieses oder jenes, mit dem es als Bedrohlichem eine Bewandtnis haben könnte.

Daher »sieht« die Angst auch nicht ein bestimmtes »Hier« und »Dort«, aus dem her sich das Bedrohliche nähert. Daß das Bedrohende nirgends ist, charakterisiert das Wovor der Angst. Diese »weiß nicht«, was es ist, davor sie sich ängstet. »Nirgends« aber bedeutet nicht nichts, sondern darin liegt Gegend überhaupt, Erschlossenheit von Welt überhaupt für das wesenhaft räumliche In-Sein. Das Drohende kann sich deshalb auch nicht aus einer bestimmten Richtung her innerhalb der Nähe nähern, es ist schon »da« – und doch nirgends, es ist so nah, daß es beengt und einem den Atem verschlägt -und doch nirgends.

Im Wovor der Angst wird das »Nichts ist es und nirgends« offenbar. Die Aufsässigkeit des innerweltlichen Nichts und Nirgends besagt


Martin Heidegger - Sein und Zeit