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Was ist es um diese Tendenz zum Nur-Vernehmen? Welche existenziale Verfassung des Daseins wird am Phänomen der Neugier verständlich?

Das In-der-Welt-sein geht zunächst in der besorgten Welt auf. Das Besorgen ist geführt von der Umsicht, die das Zuhandene entdeckt und in seiner Entdecktheit verwahrt. Die Umsicht gibt allem Beibringen, Verrichten die Bahn des Vorgehens, die Mittel der Ausführung, die rechte Gelegenheit, den geeigneten Augenblick. Das Besorgen kann zur Ruhe kommen im Sinne der ausruhenden Unterbrechung des Verrichtens oder als Fertigwerden. In der Ruhe verschwindet das Besorgen nicht, wohl aber wird die Umsicht frei, sie ist nicht mehr an die Werkwelt gebunden. Im Ausruhen legt sich die Sorge in die freigewordene Umsicht. Das umsichtige Entdecken der Werkwelt hat den Seinscharakter des Ent-fernens. Die freigewordene Umsicht hat nichts mehr zuhanden, dessen Näherung zu besorgen ist. Als wesenhaft ent-fernende verschafft sie sich neue Möglichkeiten des Ent-fernens; das besagt, sie tendiert aus dem nächst Zuhandenen weg in ferne und fremde Welt. Die Sorge wird zum Besorgen der Möglichkeiten, ausruhend verweilend die »Welt« nur in ihrem Aussehen zu sehen. Das Dasein sucht das Ferne, lediglich um es sich in seinem Aussehen nahe zu bringen. Das Dasein läßt sich einzig vom Aussehen der Welt mitnehmen, eine Seinsart, in der es besorgt, seiner selbst als In-der-Welt-seins ledig zu werden, ledig des Seins beim nächst alltäglichen Zuhandenen.

Die freigewordene Neugier besorgt aber zu sehen, nicht um das Gesehene zu verstehen, das heißt in ein Sein zu ihm zu kommen, sondern nur um zu sehen. Sie sucht das Neue nur, um von ihm erneut zu Neuem abzuspringen. Nicht um zu erfassen und um wissend in der Wahrheit zu sein, geht es der Sorge dieses Sehens, sondern um Möglichkeiten des Sichüberlassens an die Welt. Daher ist die Neugier durch ein spezifisches Unverweilen beim Nächsten charakterisiert. Sie sucht daher auch nicht die Muße des betrachtenden Verweilens, sondern Unruhe und Aufregung durch das immer Neue und den Wechsel des Begegnenden. In ihrem Unverweilen besorgt die Neugier die ständige Möglichkeit der Zerstreuung. Die Neugier hat nichts zu tun mit dem bewundernden Betrachten des Seienden, dem θαυμάζειν, ihr liegt nicht daran, durch Verwunderung in das Nichtverstehen gebracht zu werden, sondern sie besorgt ein Wissen, aber lediglich um gewußt zu haben. Die beiden für die Neugier konstitutiven Momente des Unverweilens in der besorgten Umwelt und der Zerstreuung in neue Möglichkeiten fundieren den dritten Wesenscharakter


Martin Heidegger - Sein und Zeit