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        durch Verbesserungen und Ergänzungen des Überlieferten durchgeführt
        werden. Mit Rücksicht darauf ist zu fragen nach den
        Grundformen einer möglichen bedeutungsmäßigen Gliederung
        des Verstehbaren überhaupt, nicht nur des in theoretischer
        Betrachtung erkannten und in Sätzen ausgedrückten innerweltlichen
        Seienden. Die Bedeutungslehre ergibt sich nicht von selbst
        durch umfassendes Vergleichen möglichst vieler und entlegener
        Sprachen. Ebensowenig genügt die Übernahme etwa des philosophischen
        Horizonts, innerhalb dessen W. v. Humboldt die
        Sprache zum Problem machte. Die Bedeutungslehre ist in der
        Ontologie des Daseins verwurzelt. Ihr Gedeihen und Verderben
        hängt am Schicksal dieser1.
        Am Ende muß sich die philosophische Forschung einmal entschließen
        zu fragen, welche Seinsart der Sprache überhaupt
        zukommt. Ist sie ein innerweltlich zuhandenes Zeug, oder hat sie
        die Seinsart des Daseins oder keines von beiden? Welcher Art ist
        das Sein der Sprache, daß sie »tot« sein kann? Was besagt ontologisch,
        eine Sprache wächst und zerfällt? Wir besitzen eine
        Sprachwissenschaft, und das Sein des Seienden, das sie zum
        Thema hat, ist dunkel; sogar der Horizont ist verhüllt für die
        untersuchende Frage darnach. Ist es Zufall, daß die Bedeutungen
        zunächst und zumeist »weltliche« sind, durch die Bedeutsamkeit
        der Welt vorgezeichnete, ja sogar oft vorwiegend »räumliche«,
        oder ist diese »Tatsache« existenzial-ontologisch notwendig und
        warum? Die philosophische Forschung wird auf »Sprachphilosophie
        « verzichten müssen, um den »Sachen selbst« nachzufragen,
        und sich in den Stand einer begrifflich geklärten Problematik
        bringen müssen.
        Die vorliegende Interpretation der Sprache sollte lediglich den
        ontologischen »Ort« für dieses Phänomen innerhalb der Seinsverfassung
        des Daseins aufzeigen und vor allem die folgende Analyse
        vorbereiten, die am Leitfaden einer fundamentalen Seinsart der
        Rede im Zusammenhang mit anderen Phänomenen die Alltäglichkeit
        des Daseins ontologisch ursprünglicher in den Blick zu
        bringen versucht.
        B. Das alltägliche Sein des Da und das Verfallen des Daseins
        Im Rückgang auf die existenzialen Strukturen der Erschlossenheit
        des In-der-Welt-seins hat die Interpretation in gewisser Weise
        die Alltäglichkeit des Daseins aus dem Auge verloren. Die Analyse
        muß

1 Vgl. zur Bedeutungslehre E. Husserl, Log. Unters. Bd. II, 1. und 4. -
6. Untersuchung. Ferner die radikalere Fassung der Problematik, Ideen I,
a. a. O. §§ 123 ff., S. 255 ff.

Martin Heidegger - Sein und Zeit