16


ontologische Rückstrahlung des Weltverständnisses auf die Daseinsauslegung aufweisen werden.

Der ontisch-ontologische Vorrang des Daseins ist daher der Grund dafür, daß dem Dasein seine spezifische Seinsverfassung – verstanden im Sinne der ihm zugehörigen »kategorialen« Struktur – verdeckt bleibt. Dasein ist ihm selbst ontisch »am nächsten«, ontologisch am fernsten, aber vorontologisch doch nicht fremd.

Vorläufig ist damit nur angezeigt, daß eine Interpretation dieses Seienden vor eigentümlichen Schwierigkeiten steht, die in der Seinsart des thematischen Gegenstandes und des thematisierenden Verhaltens selbst gründen und nicht etwa in einer mangelhaften Ausstattung unseres Erkenntnisvermögens oder in dem scheinbar leicht zu behebenden Mangel einer angemessenen Begrifflichkeit.

Weil nun aber zum Dasein nicht nur Seinsverständnis gehört, sondern dieses sich mit der jeweiligen Seinsart des Daseins selbst ausbildet oder zerfällt, kann es über eine reiche Ausgelegtheit verfügen. Philosophische Psychologie, Anthropologie, Ethik, »Politik«, Dichtung, Biographie und Geschichtsschreibung sind auf je verschiedenen Wegen und in wechselndem Ausmaß den Verhaltungen, Vermögen, Kräften, Möglichkeiten und Geschicken des Daseins nachgegangen. Die Frage bleibt aber, ob diese Auslegungen ebenso ursprünglich existenzial durchgeführt wurden, wie sie vielleicht existenziell ursprünglich waren. Beides braucht nicht notwendig zusammenzugehen, schließt sich aber auch nicht aus. Existenzielle Auslegung kann existenziale Analytik fordern, wenn anders philosophische Erkenntnis in ihrer Möglichkeit und Notwendigkeit begriffen ist. Erst wenn die Grundstrukturen des Daseins in expliziter Orientierung am Seinsproblem selbst zureichend herausgearbeitet sind, wird der bisherige Gewinn der Daseinsauslegung seine existenziale Rechtfertigung erhalten.

Eine Analytik des Daseins muß also das erste Anliegen in der Frage nach dem Sein bleiben. Dann wird aber das Problem einer Gewinnung und Sicherung der leitenden Zugangsart zum Dasein erst recht brennend. Negativ gesprochen: es darf keine beliebige Idee von Sein und Wirklichkeit, und sei sie noch so »selbstverständlich«, an dieses Seiende konstruktiv-dogmatisch herangebracht, keine aus einer solchen Idee vorgezeichneten »Kategorien« dürfen dem Dasein ontologisch unbesehen auf gezwungen werden. Die Zugangs- und Auslegungsart muß vielmehr dergestalt gewählt sein, daß dieses Seiende sich an ihm selbst von ihm selbst her zeigen kann. Und zwar soll sie das Seiende in dem zeigen, wie es zunächst und zumeist ist, in seiner durchschnittlichen Alltäglichkeit. An dieser sollen nicht beliebige und


Martin Heidegger - Sein und Zeit