V. Die Grundung
239. Der Zeit-Raum*
(vorbereitende Überlegung)
Raum und Zeit, je für sich vorgestellt und in der üblichen Verbindung, entspringen selbst aus dem Zeit-Raum, der ursprünglicher ist als sie selbst und ihre rechenhaft vorgestellte Verbindung. Der Zeit-Raum aber gehört zur Wahrheit ill Sinne der Erwesung des Seins als Ereignis. (Von hier aus erst zu begreifen, warum der Bezug von »Sein und Zeit« übergänglich wegweisend ist.) Aber die Frage ist, wie und als was der Zeit-Raum zur Wahrheit gehört. Was Wahrheit selbst ist, läßt sich nicht zuvor zureichend für sich sagen, sondem gerade im Begreifen des Zeit-Raumes.
Der Zeit-Raum ist die ereignete Erklüftung der Kehrungsbahnen des Ereignisses, der Kehre zwischen Zugehörigkeit und Zuruf, zwischen Seinsverlassenheit und Erwinkung (das Erzittem der Schwingung des Seyns selbst!). Nähe und Ferne, Leere und Schenkung, Schwung und Zögerung, all dieses darf nicht zeitlich-räumlich begriffen werden von den üblichen Zeitund Raum-Vorstellungen her, sondem umgekehrt, in ihnen liegt das verhüllte Wesen des Zeit-Raumes.
Aber wie soll das dem heutigen und üblichen Vorstellen nahegebracht werden? Hier sind verschiedene vorbereitende Wege zu gehen. Zwar scheint es das Sicherste, den bisherigen Vorstellungsbereich von Raum und Zeit und ihrer begrifflichen Fassung einfach zu verlassen und neu zu beginnen. Aber das ist nicht möglich, weil es sich ja keinesfalls nur urn eine Abänderung des Vorstellens und der Vorstellungsrichtung handelt, sondem urn eine Ver-rückung des Menschenwesens in das Da-sein. Das Fragen und Denken muB zwar anfanglich, aber doch gerade übergänglich sein (vgl. Das Zuspiel).
* vgl. Das Zuspiel, 108. Die metaphysischen Grundstellungen innerhalb der Geschichte der Leitfrage und die ihnen jeweils zugehörige Auslegung des Zeit-Raums (bzw. von Raum und Zeit); vgl. Vorlesung Wintersemester 1935/36 »Die Frage nach dem Ding. Zu Kants Lehre von den transzendentalen Grundsätzen« (Gesamtausgabe Band 41, S. 14 ff.)