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131. Das Übermaß im Wesen des Seyns (das Sichverbergen)

        hinaus, oder besser herein in das Da gedacht werden, daß die
        Wahrheit des Seyns ursprünglich aufleuchtet.
        Das Seyn wird das Befremdliche und zwar so, daß die Gründung
        seiner Wahrheit die Befremdlichkeit steigert und somit
        alles Seiende dieses Seyns in seiner Befremdung erhält. Dann
        erst erfüllt sich die volle Einzigkeit des Er-eignisses und aller
        ihr zugewiesenen Augenblicklichkeit des Da-seins. Dann erst
        ist die tiefste Lust aus ihrem Grunde befreit als das Schaffende,
        das in der verschwiegensten Verhaltenheit davor bewahrt ist,
        in ein bloßes ungenügsames Treiben von blinden Trieben auszuarten.
131. Das Obermaß im Wesen des Seyns
(das Sichverbergen)
        Das Über-maß ist kein bloBes mengenhaftes Zuviel, sondern 
        das Sichentziehen aller Schätzung und Ausmessung. Aber in 
        diesem Sichentziehen (Sichverbergen) hat das Seyn seine nächste 
        Nähe in der Lichtung des Da, indem es das Da-sein er-eignet.
        Das Über-maß der Ereignung gehört zu ihr selbst, nicht als 
        Eigenschaft, als ob sie Er-eignung sein könnte ohne das Über-
        maß.
        Das Über-maß ist freilich auch nicht das Jenseitige eines 
        Über-sinnlichen, sondern als Er-eignung die Erzwingung des 
        Seienden.
        Das Über-maß ist das Sichentziehen der Ausmessung, well 
        es erst den Streit und damit den Streitraum und alles Abständige 
        entspringen läßt und offenhält.
        Der Streit des Seyns gegen das Seiende aber ist dies Sichverbergen 
        der Verhaltenheit einer urspriinglichen Zugehörigkeit.
        So hat die Ereignung in diesem schenkenden Sichentziehen 
        überall das Wesen des Sichverbergens, was, urn zu wesen, der 
        weitesten Lichtung bedarf.

Martin Heidegger (GA 65) Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)