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Die Metaphysik des Satzes vom Grunde

in der Transzendenz übersprungen wird, ist aber nicht nur dasjenige, was das Dasein selbst nicht ist, sondern in der Transzendenz überspringt das Dasein gerade sich selbst als Seiendes — genauer: dieser Übersprung ermöglicht es, daß das Dasein so etwas wie es selbst sein kann. Erst im Übersprung seiner selbst eröffnet sich der Abgrund, der das Dasein je für es selbst ist, und nur weil dieser Abgrund des Selbstseins durch die und in der Transzendenz offen ist, kann er überdeckt und unsichtbar gemacht werden.

Die Frage aber wird unabweislich: Was ist nun Welt, woraufzu das Dasein transzendiert? Wie steht diese Ganzheit zum Dasein selbst? Ist Welt ein Reich der Ideen, an einem ύπερουράνιος τόπος, den eine in das Dasein eingesenkte Vernunft anschaut und beschaut? Oder ist die Welt das Ganze der Ideen, die dem Subjekt eingeboren sind? Schon aus diesen Fragen ist ersichtlich, wie das Problem des Weltbegriffes als eines transzendentalen völlig verschlungen ist mit dem Problem der Subjektivität des Subjekts und zugleich mit der ontologischen Grundfrage nach dem Sein überhaupt.

Wenn das Phänomen, das wir mit dem transzendentalen Begriff benennen, zentral ist, dann muß es in aller echten Philosophie in irgendeiner, sei es auch in einer ganz verhüllten Form und nicht als solches gefaßt, schon immer ans Licht gekommen sein. Daß die Konzeption der Ideenlehre durch die als solche noch nicht enthüllte Transzendenz und durch das Weltphänomen motiviert ist, kann nicht bezweifelt werden, aber ebenso deutlich läßt sich zeigen, daß gerade die Konzeption der Ideenlehre den Weltbegriff nicht treffen konnte, weil die Ideen selbst und das Verhalten zu ihnen nur als eine Steigerung eines bestimmten Erfassens des Seienden galten — diese Erfassung aber ist die Anschauung. Die Schau, auf die hier alles zurückgeht, hat zum Korrelat einen bestimmten, ganz einseitigen Seinsbegriff, und der in ἰδέα, θεωρία, intuitus und Wesensschau angezeigte Rekurs auf ein schauendes Bewußtsein ist so wenig geeignet, das Transzendenzproblem zu lösen,


Martin Heidegger (GA 26) Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz