29

§ 5. Methodischer Charakter der Ontologie

zurückgeführt auf dessen Sein. Das Grundstück der phänomenologischen Methode im Sinne der Rückführung des untersuchenden Blicks vom naiv erfaßten Seienden zum Sein bezeichnen wir als phänomenologische Reduktion. Damit knüpfen wir dem Wortlaut, nicht aber der Sache nach an einen zentralen Terminus der Phänomenologie Husserls an. Für Husserl ist die phänomenologische Reduktion, die er zum erstenmal ausdrücklich in den »Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie« (1913) herausgearbeitet hat, die Methode der Rückführung des phänomenologischen Blickes von der natürlichen Einstellung des in die Welt der Dinge und Personen hineinlebenden Menschen auf das transzendentale Bewußtseinsleben und dessen noetisch-noematische Erlebnisse, in denen sich die Objekte als Bewußtseinskorrelate konstituieren. Für uns bedeutet die phänomenologische Reduktion die Rückführung des phänomenologischen Blickes von der wie immer bestimmten Erfassung des Seienden auf das Verstehen des Seins (Entwerfen auf die Weise seiner Unverborgenheit) dieses Seienden. Wie jede wissenschaftliche Methode wächst und wandelt sich auch die phänomenologische Methode aufgrund des mit ihrer Hilfe gerade vollzogenen Vordringens zu den Sachen. Wissenschaftliche Methode ist nie eine Technik. Sobald sie das wird, ist sie von ihrem eigenen Wesen abgefallen.

Die phänomenologische Reduktion als die Rückführung des Blickes vom Seienden zum Sein ist aber nicht das einzige, ja nicht einmal das zentrale Grundstück der phänomenologischen Methode. Denn diese Zurückführung des Blickes vom Seienden auf das Sein bedarf zugleich des positiven Sichhinbringens zum Sein selbst. Die pure Abwendung ist nur ein negativ methodisches Verhalten, das nicht nur der Ergänzung durch ein positives bedarf, sondern ausdrücklich der Hinführung zum Sein, d. h. der Leitung. Das Sein wird nicht so zugänglich wie Seiendes, wir finden es nicht einfach vor, sondern es muß, wie zu zeigen sein wird, jeweils in einem freien Entwurf in den Blick gebracht werden. Dieses Entwerfen des


Martin Heidegger (GA 24) Die Grundprobleme der Phänomenologie