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Das Wahrheitsproblem bei Aristoteles

Die Als-Struktur gehört — roh gesprochen — zu unserem »Verhalten«, was freilich nicht besagt, sie sei etwas Subjektives. Also es ist im Auge zu behalten, daß wir diese Struktur des Als zwar einem Verhalten des Daseins zusprechen, dabei aber nicht sagen, daß dieses als-mäßige Verhalten als Bedeuten ein irgendwie subjektives Gestalten und Auffassen eines Vorhandenen wäre.

Wir fragen jetzt zunächst nur, ob und inwiefern nun dieses Bedeuten, dem die Als-Struktur zukommt und das sich primär vollzieht als das Zu-tun-haben mit etwas, ob und wie dieses Bedeuten und seine Als-Struktur die Aussage als Aussage fundiert. An Hand von Aristoteles wurde schon gezeigt, daß σύνθεσις und διαίρεσις die Grundstruktur der Aussage ausmachen. Die Frage wird jetzt sein, ob am Ende das, was mit σύνθεσις und διαίρεσις, Verbinden und Trennen gemeint ist, dieses Phänomen des Als ist, und inwiefern dieses einheitliche Phänomen des Als, das dem Bedeuten und Verstehen zukommt, durch σύνδκαις und διαίρεσις gefaßt werden kann und zunächst gefaßt werden muß. In diesem als-haften Verhalten, dem Bedeuten ist, wenn wir analysieren, je schon immer etwas verstanden, nämlich verstanden ist das, als was ich einen begegnenden Gegenstand, ein Ding, diese Tür, verstehe. Dieses Als-Was also ist im vorhinein verstanden, aus ihm her wird das Begegnende, mit dem ich zu tun habe, als solches erst verständlich. Dieses Als-Was, von dem her ich verstehe, und das ich im vorhinein schon habe, aber unthematisch, ist dabei in diesem »Im vorhinein haben« nicht etwa thematisch erfaßt, ich lebe im Verständnis von Schreiben, Beleuchten, Aus- und Eingehen und dergleichen. Genauer: ich bin - qua Dasein: sprechend - gehend - verstehend - verstehender Umgang. Mein Sein in der Welt ist nichts anderes als dieses schon verstehende Sichbewegen in diesen Weisen des Seins. Wenn wir also jetzt schärfer zusehen, dann zeigt sich, daß ein sogenanntes schlichtes Da-haben und Erfassen wie: diese Kreide hier, die Tafel, die Tür, strukturmäßig gesehen


Martin Heidegger (GA 21) Logik Die frage nach der Wahrheit