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§ 11 Die ersten drei Stufen des εἰδέναι

Bestimmung des Seins des Menschen zeigt, daß sich die γένεσις der σοφία in der »Metaphysik« vollkommen mit der in der »Nikomachischen Ethik« deckt. »Das Geschlecht der Menschen — bzw. der Stamm von Seiendem, der den Charakter hat zu leben — lebt τέχνη καὶ λογισμοῖς«. Das sind zusammengefaßt die beiden Weisen des λόγον ἔχον. die uns aus der »Nikomachischen Ethik« bekannt sind: das ἐπιστημονικόν und das λογιστικόν. Und diese Charakteristik des Seins des Menschen will sagen, daß der Mensch über eine höhere Weise der Orientierung verfügt als die Tiere. Diese Orientierung hat selbst verschiedene Stufen, φύσει μὲν οὖν αἴσθησιν ἔχοντα γίγνεται τὰ ζῷα, ἐκ δὲ ταύτης τοῖς μὲν αὐτῶν οὐκ ἐγγίγνεται μνήμη, τοῖς δ᾽ ἐγγίγνεται (a27 sqq). Die Tiere haben zunächst eine bloße αἴσθησις, manche auch ein μνήμη, Behalten: μνήμη meint hier nicht das Erinnern, sondern: an etwas denken im weitesten Sinne; zu dieser μνήμη wird nicht erfordert ein λόγος oder ein νοεῖν. καὶ διὰ τοῦτο ταῦτα φρονιμώτερα καὶ μαθητικώτερα τῶν μὴ δυναμένων μνημονεύειν ἐστί (b1 sq). Auf Grund dieses Behaltenkönnens haben die Lebewesen eine gewisse φρόνησις, φρόνησις in weiterem Sinne, eine gewisse Sicherheit der Orientierung. Diejenigen Tiere, die hören können, haben zugleich die Möglichkeit, in gewissem Sinne zu lernen; man kann sie abrichten. Die μνήμη, die, in dieser ganz weiten Form verstanden, schon bei den Tieren ist, spielt bei der Ausbildung der τέχνη als einer Orientierungsweise des Menschen eine fundamentale Rolle. Auf ganz bestimmten Wegen bildet das αἰσθάνεσθαι eine ἐμπειρία aus: ἐκ μνήμης.


b) ἐμπειρία.

Der Verweisungszusammenhang: Sobald — dann. Sein Zeit-charakter


γίγνεται δ᾽ ἐκ τῆς μνήμης ἐμπειρία τοῖς ἀνθρώποις: αἱ γὰρ πολλαὶ μνῆμαι τοῦ αὐτοῦ πράγματος μιᾶς ἐμπειρίας δύναμιν ἀποτελοῦσιν (b28 sqq). »Es entsteht aus der μνήμη bei den Menschen eine ἐμπειρία; viele μνῆμαι nämlich desselben Sachverhalts bilden


Martin Heidegger (GA 19) Platon Sophistes