186. ZUM GUTACHTEN ÜBER BAUMGARTEN*


Freiburg, den 17.I.1946


Sehr geehrter Herr Kollege!


Ihr Schreiben vom 3.I. mit Teilabschrift von Jaspers' Brief kam erst nach 7 Tagen durch Postbestellung in meine Hand. Herr Kollege Ritter war so freundlich, mir seinen Inhalt schon mitzuteilen; ich war aber im Augenblick seines Besuches auf diese neuen, durch Jaspers geäußerten Vorwürfe in keiner Weise vorbereitet und konnte mich nur ganz allgemein der Situation, die zur Abfassung des Gutachtens über Baumgarten führte, erinnern.

An Hand des Briefauszuges muß ich zu Punkt 2 folgendes bemerken: Ich bekam eine Anfrage aus Göttingen über Baumartens wissenschaftliche Fähigkeiten, in der auch seine nationalsozialistische Zuverlässigkeit erfragt wurde. Ich habe daraufhin ein wissenschaftliches Gutachten abgegeben, wegen seiner politischen »Zuverlässigkeit« auf seine Herkunft hingewiesen, weil ich erhebliche Zweifel in Baumgartens zur Schau gestellten Nationalsozialismus hegte. Nach anderen, mir von Kollegenseiten zugegangenen Berichten schien er mir zu denen zu gehören, die sich mit Hilfe der Partei zur Geltung bringen wollten. Daß ich nur zu einer nachgesuchten Aufnahme B.'s in eine »Gliederung der Partei« Stellung genommen hätte, ist ausgeschlossen. Ich habe mich niemals mit derlei Dingen befaßt, wurde auch niemals (wegen meiner eigenen »Unzuverlässigkeit« ab 1934) danach gefragt. Ich protestiere dagegen, daß mir auf Grund auszugsweiser Abschrift ein Vorwurf gemacht wird, den Jaspers sogar in die Nähe von Greuelnachrichten bringt. Die angeführten Sätze sind in ihrem II. Teil ausgesprochener Parteijargon. Wahrscheinlich ist es die Abschrift eines parteiamtlichen Gutachtens, das auf Grund meines Gutachtens abgefaßt


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Martin Heidegger (GA 16) Reden und Andere Zeugnisse eines Lebenweges