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Die Sprache


nennt Wesendes, das schon gewesen. Im Gewese des Versteinerns west allererst die Schwelle.

Die Schwelle ist der Grundbalken, der das Tor im ganzen trägt. Er hält die Mitte, in der die Zwei, das Draußen und das Drinnen, einander durchgehen, aus. Die Schwelle trägt das Zwischen. In seine Verläßlichkeit fügt sich, was im Zwischen aus- und ein-geht. Das Verläßliche der Mitte darf nirgend hin nachgeben. Der Austrag des Zwischen braucht das Ausdauernde und in solchem Sinne Harte. Die Schwelle ist als der Austrag des Zwischen hart, weil Schmerz sie versteinerte. Aber der zu Stein ereignete Schmerz hat sich nicht in die Schwelle verhärtet, um in ihr zu erstarren. Der Schmerz west in der Schwelle ausdauernd als Schmerz.

Doch was ist Schmerz? Der Schmerz reißt. Er ist der Riß. Allein, er zerreißt nicht in auseinanderfahrende Splitter. Der Schmerz reißt zwar auseinander, er scheidet, jedoch so, daß er zugleich alles auf sich zieht, in sich versammelt. Sein Reißen ist als das versammelnde Scheiden zugleich jenes Ziehen, das wie der Vorriß und Aufriß das im Schied Auseinandergehaltene zeichnet und fügt. Der Schmerz ist das Fügende im scheidend-sammelnden Reißen. Der Schmerz ist die Fuge des Risses. Sie ist die Schwelle. Sie trägt das Zwischen aus, die Mitte der zwei in sie Geschiedenen. Der Schmerz fügt den Riß des Unterschiedes. Der Schmerz ist der Unter-Schied selber.


Schmerz versteinerte die Schwelle.


Der Vers ruft den Unter-Schied, aber er denkt ihn weder eigens, noch nennt er sein Wesen bei diesem Namen. Der Vers ruft den Schied des Zwischen, die versammelnde Mitte, in deren Innigkeit die Gebärde der Dinge und die Gunst der Welt einander durchmessen.

So wäre denn die Innigkeit des Unter-Schiedes für Welt und Ding der Schmerz? Allerdings. Nur dürfen wir den Schmerz nicht anthropologisch als Empfindung vorstellen, die wehleidig


Martin Heidegger (GA 12) Unterwegs zur Sprache