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Die Sprache


Der Unter-Schied ist weder Distinktion noch Relation. Der Unter-Schied ist im höchsten Fall Dimension für Welt und Ding. Aber in diesem Fall meint »Dimension« auch nicht mehr einen für sich vorhandenen Bezirk, worin sich dies und jenes ansiedelt. Der Unter-Schied ist die Dimension, insofern er Welt und Ding in ihr Eigenes er-mißt. Sein Er-messen eröffnet erst das Aus- und Zu-einander von Welt und Ding. Solches Eröffnen ist die Art, nach der hier der Unter-Schied beide durchmißt. Der Unter-Schied vermißt als die Mitte für Welt und Dinge das Maß ihres Wesens. Im Heißen, das Ding und Welt ruft, ist das eigentlich Geheißene: der Unter-Schied.

Die erste Strophe des Gedichtes heißt die Dinge kommen, die als dingende Welt gebärden. Die zweite Strophe heißt die Welt kommen, die als weltende Dinge gönnt. Die dritte Strophe heißt die Mitte für Welt und Ding kommen: den Austrag der Innigkeit. Die dritte Strophe beginnt deshalb mit einem betonten Rufen:

			Wanderer tritt still herein;
		

Wohin? Der Vers sagt es nicht. Dagegen ruft er den eintretenden Wanderer in die Stille. Sie verwaltet das Tor. Jäh und befremdlich ist es gerufen:

			Schmerz versteinerte die Schwelle.
		

Einsam spricht dieser Vers im Gesprochenen des ganzen Gedichtes. Er nennt den Schmerz. Welchen? Der Vers sagt nur: »Schmerz . . .« Woher und inwiefern ist Schmerz gerufen?

			Schmerz versteinerte die Schwelle.
		

» . . . versteinerte . . . « Dies Wort ist das einzige im Gedicht, das in der Zeitform der Vergangenheit spricht. Gleichwohl nennt es nicht ein Vergangenes, solches, was nicht mehr anwest. Es


Martin Heidegger (GA 12) Unterwegs zur Sprache