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Zweite Stunde

        halb der Wissenschaften erzeugt. Er ist überhaupt nicht vom 
        Menschen gemacht. Er steigt aus der Gegend jenes Bedenklichsten 
        auf, daß wir noch nicht denken; wir alle noch nicht, der 
        Sprecher mit einbegriffen, er sogar zuerst.
        Darum versuchen wir hier, das Denken zu lernen. Wir gehen 
        hier miteinander einen Weg und halten keine Mahnreden. Lernen 
        heißt: das Tun und Lassen zu dem in die Entsprechung bringen, 
        was sich jeweils an Wesenhaftem uns zuspricht. Je nach der 
        Art dieses Wesenhaften, je nach dem Bereich, aus dem sein 
        Zuspruch kommt, ist das Entsprechen und damit die Art des 
        Lernens verschieden.
        Ein Schreinerlehrling z.B., jemand, der Schreine bauen lernt 
        und ähnliche Dinge, übt beim Lernen nicht nur die Fertigkeit in 
        der Verwendung der Werkzeuge. Er macht sich auch nicht nur 
        mit den gebräuchlichen Formen der Dinge, die er zu bauen hat, 
        bekannt. Er bringt sich, wenn er ein echter Schreiner wird, vor 
        allem zu den verschiedenen Arten des Holzes und zu den darin 
        schlafenden Gestalten in die Entsprechung, zum Holz, wie es mit 
        der verborgenen Fülle seines Wesens in das Wohnen des 
        Menschen hereinragt. Dieser Bezug zum Holz trägt sogar das ganze 
        Handwerk. Ohne diesen Bezug zum Holz bleibt es in der leeren 
        Betriebsamkeit hängen. Die Beschäftigung in ihr wird dann 
        lediglich durch das Geschäft bestimmt. Jedes Handwerk, alles 
        menschliche Handeln steht immer in dieser Gefahr. Das Dichten 
        ist hiervon so wenig ausgenommen wie das Denken.
        Ob ein Schreinerlehrling jedoch beim Lernen in die Entsprechung 
        zum Holz und zu den hölzernen Dingen gelangt oder 
        nicht, hängt offensichtlich davon ab, daß einer da ist, der den 
        Lehrling solches lehrt.
        In der Tat. Das Lehren ist noch schwieriger als das Lernen. 
        Man weiß dies wohl; aber man bedenkt es selten. Weshalb ist das 
        Lehren schwerer als das Lernen? Nicht deshalb, weil der Lehrer 
        die größere Summe von Kenntnissen besitzen und sie jederzeit 
        bereit haben muß. Das Lehren ist darum schwerer als das Lernen, 
        weil Lehren heißt: lernen lassen. Der eigentliche Lehrer läßt

Martin Heidegger (GA 8) Was heisst Denken?