Anspruch jedoch der Tisch niemals als Anwesendes sich zeigen könnte. Ich kann gar nicht existieren, ohne ständig unthematisch oder thematisch diesem oder jenem Anspruch zu entsprechen. Sonst könnte ich auch keinen Schritt machen und keinen Blick auf etwas tun.

In diesem Bereich kann man nichts beweisen. Man muß auf die Meinung verzichten, daß nur das Beweisbare das Wahre sei. Es gibt Sachen wie Anwesenheit oder die Freiheit, die jeden Anspruch auf Meßbarkeit von sich weisen. Es handelt sich nicht um eine Theorie, sondern um den Einblick in das, was wir schon immer selber sind.

Eine Theorie ist demgegenüber eine Supposition, die die Berechnung einer Sache möglich macht. Das unter dem Anspruch der Anwesenheit Stehen ist der größte Anspruch des Menschen, ist ›die Ethik‹.

Wenn ich ein Zimmer einräume, ist dies etwas ganz anderes, als wenn sich ein Mensch einräumt. Wie zu Anfang des zweiten Teiles des »Grundrisses«1 ist die Vorbemerkung zu machen, daß das jetzt kommende ›Philosophieren‹ ständig im Blick behalten werden muß, um dann die späteren Kapitel über Pathologie und Therapie zu verstehen. Das Kommende ist also alles andere als ein für Arzte überflüssiges Philosophieren. Der Mensch hält sich bei dem auf, was ihn angeht. Er ist bezogen auf die Dinge und die Mitmenschen. Die leblosen Dinge werden von alters her als in Raum und Zeit seiend vorgestellt. Der Mensch ist aber ganz anders in Raum und Zeit als die Dinge, insofern als der Mensch selber räumlich und zeitlich ist. Wenn ich ek-sistieren mit hinaus-stehen übersetze, so sage ich dies aus der Gegenposition zu Descartes heraus, gegen dessen Vorstellung von einer res cogitans im Sinne einer Immanenz. Aber durch dieses Gegenponieren mache ich das alte mit. Wahrer ist


1 Medard Boss, Grundriß der Medizin und der Psychologie. Zweite ergänzte Auflage. Bern, Stuttgart, Wien (Verlag Hans Huber) 1975. Die im Folgenden genannten Überschriften beziehen sich auf das Manuskript dieses damals im Werden begriffenen Buches.


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Martin Heidegger - Zollikoner Seminare