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mutationum, das in all diesen Veränderungen sich durchhält, remanet. Das, was am Körperding einem solchen ständigen Verbleib genügt, ist das eigentlich Seiende an ihm, so zwar, daß dadurch die Substanzialität dieser Substanz charakterisiert wird.



§ 20. Die Fundamente der ontologischen Bestimmung der

»Welt«


Die Idee von Sein, darauf die ontologische Charakteristik der res extensa zurückgeht, ist die Substanzialität. Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum. Unter Substanz können wir nichts anderes verstehen als ein Seiendes, das so ist, daß es, um zu sein, keines anderen Seienden bedarf.1 Das Sein einer »Substanz« ist durch eine Unbedürftigkeit charakterisiert. Was in seinem Sein schlechthin eines anderen Seienden unbedürftig ist, das genügt im eigentlichen Sinn der Idee der Substanz – dieses Seiende ist das ens perfectissimum. Substantia quae nulla plane re indigeat, unica tantum potest intelligi, nempe Deus2. »Gott« ist hier ein rein ontologischer Titel, wenn er als ens perfectissimum verstanden wird. Zugleich ermöglicht das mit dem Begriff Gott »selbstverständlich« Mitgemeinte eine ontologische Auslegung des konstitutiven Momentes der Substanzialität, der Unbedürftigkeit. Alias vero omnes (res), non nisi ope concursus Dei existere percipimus.3 Alles Seiende, das nicht Gott ist, bedarf der Herstellung im weitesten Sinne und der Erhaltung. Herstellung zu Vorhandenem, bzw. Herstellungsunbedürftigkeit machen den Horizont aus, innerhalb dessen »Sein« verstanden wird. Jedes Seiende, das nicht Gott ist, ist ens creatum. Zwischen beiden Seienden besteht ein »unendlicher« Unterschied ihres Seins, und doch sprechen wir das Geschaffene ebenso wie den Schöpfer als Seiende an. Wir gebrauchen demnach Sein in einer Weite, daß sein Sinn einen »unendlichen« Unterschied umgreift. So können wir mit gewissem Recht auch geschaffenes Seiendes Substanz nennen. Dieses Seiende ist zwar relativ zu Gott herstellungs- und erhaltungsbedürftig, aber innerhalb der Region des geschaffenen Seienden, der »Welt« im Sinne des ens creatum, gibt es solches, das relativ auf geschöpfliches Herstellen und Erhalten, das des Menschen zum Beispiel, »unbedürftig ist eines anderen Seienden«. Dergleichen Substanzen sind zwei: die res cogitans und die res extensa.


1 a. a. O. n. 51, S. 24.

2 a. a. O. n. 51, S. 24.

3 a. a. O. n. 51, S. 24.


Martin Heidegger - Sein Und Zeit