>existieren< mit >aus-stehen eines Offenheitsbereiches‹ zu übersetzen.

Jedes Wollen ist ein Streben, aber nicht jedes Streben ist ein Wollen. Wollen gehört zur Freiheit, zum Frei-sein für einen Anspruch, dem ich entspreche, und der Anspruch ist dann der Beweggrund für das Wollen. Ich will nur, wenn ich mich einlasse auf den Beweggrund, diesen als solchen übernehme, ihn annehme. Lateinisch: nemo vult nisi videns.

Wollen kann man nur, was man selber ausführen und verwirklichen kann. Darum kann man nicht wollen, daß es schneit. Man kann auch Unmögliches wollen, aber nur, wenn man das Unmögliche für möglich hält.

Neigung und Abwehr sind auch Beziehungsarten zum Anwesenden. Psychische Vermögen sind zu verstehen als Modi des Angesprochenseins und des Entsprechens.

Beim Wünschen führt man nichts aus. Es ist aber auch keine Gleichgültigkeit, wenn ich wünsche, daß einer gesund wird oder daß einer zum Teufel geht.

Ein Entsprechen gibt es nur, wo man nein oder ja sagen kann. Wenn man von Entsprechen auch dort spricht, wo es sich um ein Gedrängtsein handelt, wird das Entsprechen abgewertet im Sinne einer bloßen Relation. Man muß beim Messerstech- Drang sagen: ausgeliefert, verfallen sein an das sich so oder so Zusprechende. Im Drang ist das >als< im Erfahren von etwas als etwas nicht explizit.

Je ausschließlicher die Patientin2 in der Liebe zu ihrem Kind auf geht, je näher sie ihm in dieser einzigen Liebe ist, um so mehr gewinnt diese Nähe auch den Charakter der Enge und des Erwürgenden. Um sich selbst zu retten aus der Verstrickung und Enge, muß das Kind weg und erwürgt werden. Die Würgestimmung ist ja nicht weg beim Baden des Kindes. Weil die Nähe des Kindes in der allgemeinen Sphäre der Verstrickung und Beengung einen ausgezeichneten Charakter hat qua ihr


* Bezieht sich auf Symptome einer im Buch »Grandriß der Medizin« erwähnten Patientin. (Vgl. Anm. 1).


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