§ 2. Das Wort im Anfang des Denkens


a) Die ›Dunkelheit‹ des wesentlichen Denkens: das wesenhafte Sichverbergen des Zu-denkenden (Sein)


Was ist, wenn wir den Adel des Wortes an dem messen, was im Wort das Zu-sagende bleibt, was ist dann gefügter als ein Spruch des Heraklit? Wo spricht eine höhere Sorgfalt des Wortes? Doch der Grund für den anfänglichen Adel dieser denkerischen Sprache liegt nicht in einer besonderen Sprachbegabung des Denkers, sondern im Wesen dessen, was in diesem Denken gedacht ist und das Zu-denkende bleibt, und was als dieses das Wort hervorruft, so daß der Denker nur dazu bestellt ist, diesen Ruf nachzusagen. Das Wort ist im Anfang des Sagens überhaupt noch nicht zum bloßen ›sprachlichen Ausdruck‹ hinab gefallen und zu ›Wendungen‹ veräußerlicht, von denen jede beliebige auch beliebig gut eine andere ersetzen kann. Das Wort ist hier noch in seinem anfänglichen Wesen - das Wort -, ohne daß die anfänglichen Dichter und Denker von diesem verborgenen Wesen des Wortes ein Wissen besitzen oder auch nur benötigen.

Das im anfänglichen Denken Zu-denkende ist nun freilich als der Grund des adeligen Wortes zugleich auch der Grund der Dunkelheit dieses Denkens. Hegel wäre allerdings nicht der Denker, der er ist, wenn er sich bei der angeführten äußerlichen Erklärung der Dunkelheit Heraklits beruhigt und über dessen Philosophie nicht auch das folgende gesagt hätte1: »Das Dunkle dieser Philosophie liegt aber hauptsächlich darin, daß ein tiefer, spekulativer Gedanke in ihr ausgedrückt ist«, der Begriff, die Idee ist dem Verstande zuwider, kann nicht von ihm gefaßt werden, wogegen die Mathematik für ihn (d. h. den Verstand) ganz leicht ist. Um diese Erklärung Hegels hinreichend zu verstehen, müßten wir uns klar machen,


1 Hegel, a. a. 0., XVII, 348.


Martin Heidegger (GA 55) Heraklit