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Menschsein und Sprache

ein billiger Trick, wenn wir jetzt begännen, mit Hilfe der gewonnenen Einsicht in die Wesensverfassung des Daseins und der dabei erwachsenen Begriffe das Wesen der Sprache zu definieren.


§29. Sprache als das Walten
der weltbildenden und bewahrenden Mitte
des geschichtlichen Daseins des Volkes


Wir sagten im Verlauf unseres Fragens mehrfach, es werde, wenn auch nicht ausdrücklich, dabei immer schon von der Sprache gehandelt. Inwiefern war dies so? — Sofern die Macht der Zeit als Zeitlichkeit unser Wesen ausmacht, sind wir ausgesetzt in das offenbare Seiende, und das heißt zugleich: Das Sein des Seienden ist uns übereignet. Das Sein im Ganzen, wie es uns durchwaltet und umwaltet, die waltende Ganzheit dieses Ganzen, ist die Welt. Welt ist nicht eine Idee der theoretischen Vernunft, sondern Welt kündet sich in der Kunde des geschichtlichen Seins, und diese Kunde ist die Offenbarkeit des Seins des Seienden im Geheimnis. In der Kunde und durch sie waltet die Welt.

Diese Kunde aber geschieht im Urgeschehnis der Sprache. In ihr geschieht die Ausgesetztheit in das Seiende, geschieht die Überantwortung an das Sein. Kraft der Sprache und nur kraft ihrer waltet die Welt — ist Seiendes. Die Sprache kommt nicht im abgekapselten Subjekt vor und wird dann als Verkehrsmittel unter Subjekten herumgereicht. Die Sprache ist weder etwas Subjektives noch etwas Objektives; sie fällt überhaupt nicht in den Bereich dieser grundlosen Unterscheidung. Die Sprache ist als je geschichtliche nichts anderes als das Geschehnis der an das Sein überantworteten Ausgesetztheit in das Seiende im Ganzen.

Die Lieblichkeit des Tales und das Drohen des Gebirges und des tobenden Meeres, die Erhabenheit der Gestirne, die Versunkenheit der Pflanze und die Befangenheit des Tieres, das berechnete Rasen der Maschinen und die Härte des geschieht-


Martin Heidegger (GA 38) Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache