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Die Metaphysik des Satzes vom Grunde

Wir wollen jetzt versuchen, diese Grundverfassung des Daseins näher zu verdeutlichen, und das heißt vorerst: nahehegende Mißverständnisse abweisen. Zunächst möchte man sich verwundern, daß, wenn Transzendenz In-der-Welt-sein besagt, davon, und gar als einem Problem, soviel Aufhebens gemacht wird. Was damit gesagt wird, ist doch das Evidenteste, was es geben mag. In-der-Welt-sein des Daseins — gewiß: ein faktisch existierendes Dasein, ein wirklich existierender Mensch ist natürlich als wirklich Seiender da unter anderen Seienden, er steht auf der Erde, geht unter Bäumen und bewegt sich unter anderen Menschen. Das Dasein ist in einer Welt, d. h. der faktisch existierende Mensch kommt unter anderem Seienden, innerhalb der Gesamtheit des übrigen Seienden vor. Das ist so klar, daß man nicht recht sieht, was da noch Problem sein soll — ja man könnte höchstens sagen, daß der Satz: das Dasein ist seiner Grundverfassung, d. h. seinem Wesen nach in einer Welt, daß dieser Satz evident falsch ist. Denn es ist doch ebenso evident, daß es nicht wesensnotwendig ist, daß dieser oder jener Mensch existiert, es liegt nicht in der Idee des Menschen, daß er wirklich existiert, d. h. in einer Welt ist; es ist lediglich möglich, daß so ein Seiendes wie menschliches Dasein in einer Welt ist; aber zu sagen: das Wesen des Daseins hegt in seinem In-der-Welt-sein, ist offenbarer Widersinn.

Nun ist in der Tat richtig: es gehört nicht zum Wesen von Dasein überhaupt, daß es faktisch existiert, sondern es ist gerade sein Wesen, daß dieses Seiende je faktisch auch nicht existent sein kann. Der Kosmos kann sein, ohne daß Menschen eine Erde bewohnen, und vermutlich war der Kosmos längst bevor je Menschen existierten.

Wie können wir aber dann behaupten, zum Wesen des Daseins gehöre das In-der-Welt-sein? Wenn dieser Satz gleichwohl wahr sein soll, dann muß In-der-Welt-sein etwas anderes besagen. Und was er besagt, ist grundsätzlich schon damit festgelegt, wenn betont wird: das In-der-Welt-sein ist die


Martin Heidegger (GA 26) Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz