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These der Logik

wäre, wenn keine ewigen Wahrheiten bestünden. Zunächst ist aber zu sagen, daß philosophische Erkenntnis und wissenschaftliche Erkenntnis überhaupt sich nicht um die Konsequenzen kümmern, auch wenn sie dem bürgerlichen Verstände noch so unbequem sind. Es geht um die nüchterne, unabgeschwächte Klarheit des Begriffs und die Anerkennung dessen, Avas sich in der Untersuchung ergibt. Alle anderen Konsequenzen und Stimmungen sind belanglos.

Die Wahrheit gehört zur Seinsverfassung des Daseins selbst. Sofern man sagt, die Wahrheit ist etwas an sich Zeitloses, entsteht das Problem, inwiefern durch unsere Interpretation die Wahrheit nicht subjektiv erklärt und alle Wahrheit relativistisch verflacht wird und die Theorie dem Skeptizismus verfällt. 2 mal 2 ist 4 gilt doch nicht erst seit vorgestern und nur bis übermorgen. Diese Wahrheit hängt doch nicht von irgendeinem Subjekt ab. Wie steht es mit dem Satze: Die Wahrheit ist nur, wenn und solange enthüllendes, wahres, in der Wahrheit existierendes Dasein ist? Die Gesetze Newtons, mit denen man oft bei der Interpretation der Wahrheit argumentiert, sind nicht von Ewigkeit her da und sie waren nicht wahr, bevor sie durch Newton entdeckt wurden. Sie wurden erst wahr in und mit der Entdecktheit, denn diese ist ihre Wahrheit. Daraus folgt weder, daß sie, wenn sie erst mit der Entdeckung wahr wurden, vor der Entdeckung falsch waren, noch, daß sie falsch werden, wenn ihre Entdecktheit und ihre Enthülltheit unmöglich wird, d. h. wenn kein Dasein mehr existiert. Vor ihrer Entdeckung waren die Newtonschen Gesetze weder wahr noch falsch. Das kann nicht heißen, daß das Seiende, das mit den enthüllten Gesetzen entdeckt ist, vordem nicht so gewesen ist, wie es auch nach der Entdeckung sich zeigte und als so sich zeigendes ist. Die Entdecktheit, d. h. die Wahrheit enthüllt gerade das Seiende als das, was es vordem schon war, unangesehen seiner Entdecktheit und Nichtentdecktheit. Als entdecktes Seiendes wird es als das verständlich, was so ist, wie es ist und sein wird, abgesehen von jeder


Martin Heidegger (GA 24) Die Grundprobleme der Phänomenologie