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These der neuzeitlichen Ontologie

Zeug, das es ist, nur aus der jeweiligen Welt, die zur Existenzverfassung des Daseins als des In-der-Welt-seins gehört, verständlich. Sich verstehend aus den Dingen, versteht sich das Dasein als In-der-Welt-sein aus seiner Welt. Der Schuster ist nicht der Schuh, aber existierend ist er seine Welt, die erst ermöglicht, einen Zeugzusammenhang als innerweltlichen zu entdecken und sich bei ihm aufzuhalten. Es sind primär nicht die Dinge als solche, isoliert genommen, sondern als innerweltliche, aus denen wir uns begegnen. Deshalb ist dieses Selbstverständnis des alltäglichen Daseins nicht so sehr abhängig vom Umfang und von der Eindringlichkeit der Kenntnis der Dinge als solcher, sondern von der Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit des In-der-Welt-seins. Auch das nur fragmentarisch Begegnende, auch das in einem Dasein vielleicht nur primitiv Verstandene, die Welt des Kindes, ist als Innerweltliches gleichsam mit Welt geladen. Es liegt nur daran, ob das existierende Dasein gemäß seiner Existenzmöglichkeit ursprünglich genug ist, um die mit seiner Existenz immer schon enthüllte Welt noch eigens zu sehen, zum Wort zu verhelfen und dadurch für andere ausdrücklich sichtbar zu machen.

Die Dichtung ist nichts anderes als das elementare ZumWort-kommen, d. h. Entdecktwerden der Existenz als des Inder-Welt-seins. Mit dem Ausgesprochenen wird für die Anderen, die vordem blind sind, die Welt erst sichtbar. Als Beleg dafür hören wir eine Stelle von Rainer Maria Rilke aus den »Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge«. »Wird man es glauben, daß es solche Häuser gibt? Nein, man wird sagen, ich fälsche. Diesmal ist es Wahrheit, nichts weggelassen, natürlich auch nichts hinzugetan. Woher sollte ich es nehmen? Man weiß, daß ich arm bin. Man weiß es. Häuser? Aber, um genau zu sein, es waren Häuser, die nicht mehr da waren. Häuser, die man abgebrochen hatte von oben bis unten. Was da war, das waren die anderen Häuser, die danebengestanden hatten, hohe Nachbarhäuser. Offenbar waren sie in Gefahr, umzufallen, seit man nebenan alles weggenommen hatte; denn ein ganzes Gerüst von


Martin Heidegger (GA 24) Die Grundprobleme der Phänomenologie