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» Wie wenn am Feiertage . . .«

der Vergessenheit anheimfällt, die »Natur« (φύσις). Wie aber waltete dieses Anfängliche vor dem jetzt »neu« anhebenden Erwachen und Bekanntwerden?


Und die uns lächelnd den Aker gebauet,
In Knechtsgestalt, sie sind bekannt, die
Die Allebendigen, die Kräfte der Götter.


Die »allgegenwärtige« und die »allerschaffende« heißt jetzt die »allebendige« Natur. Zwar ist dies Wort von den Kräften der Götter gesagt. Und diese Kräfte sind auch das, wodurch, die Götter das Ihre vermögen und so selbst sind, was sie sind. Aber die Kräfte stammen nicht von den Göttern, sondern die Götter sind kraft dieser Kräfte, die »allebendig« alles, auch die Götter, im »Leben« halten. Die Natur hat »zuvor« »lächelnd« den Menschen »den Aker« gebauet. Das Wort »der Acker« steht hier, mit einem flüchtigen Zurückwinken in die erste Strophe, für alles, worauf und woraus die Menschen leben. »Lächelnd« war vordem das Heil des Heiligen in allem gegenwärtig, mühelos und freundlich und deshalb unberührt davon, daß die Menschen »kaum fühlten«, was da geschehen. Die Menschen haben dies von der göttlichschönen Natur Gewährte in der Übereilung auf das Greifbare nur zu ihrem Nutzen und in ihren Dienst genommen und so die Allgegenwärtige in die Knechtsgestalt hinabgestoßen. Aber sie hat dies »lächelnd« in der Gelassenheit des Anfänglichen und allen Erfolgen überlegen zugelassen und die Menschen der Verkennung des Heiligen überlassen. Bei solcher Verkennung »der Natur« »ist« dann ein Jegliches nur noch das, was es leistet, während es doch in Wahrheit je nur das leistet, was es ist. Aber Jegliches, auch jedes Menschentum, »ist« nur nach der »Art«, wie die aus sich wesende Natur, das Heilige, in ihm gegenwärtig bleibt.

Wie aber soll, wenn nur die Dichter von der allgegenwärtigen Natur leicht umfangen sind, je »das Volk« in der Gegenwart des Heiligen stehen? Wie sollen die »Erdensöhne« je die »allebendigen Kräfte«, das Heilige, erfahren, wenn das Feuer nur »in


Martin Heidegger (GA 4) Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung